Fraktionserklärung «Maienzug» (Einwohnerratssitzung 24. Juni 2024)
Vor zwei Jahren wurde der Maienzug neu ausgerichtet. Unser Stadtpräsident erklärte am letzten Maienzug, der Stadtrat habe sich zum Ziel gesetzt, den Maienzug «zeitgemäss weiterzuentwickeln». So habe man wesentliche Anpassungen vorgenommen.
Mahnende Stimmen, dass mit diesen «zeitgemässen Weiterentwicklungen» der über Jahre gereifte Charakter des Festes verloren gehe, hat der Stadtrat in den Wind geschlagen. Böse Zungen behaupten, genau das sei gewollt gewesen. Vor allem das Festbankett auf der Schanz sei einigen Stadträten zu bürgerlich, deshalb habe es weichen müssen. In seiner Antwort auf eine von 900 Personen unterzeichnete Petition, welche die Rückkehr des Banketts auf die Schanz forderte, betonte der Stadtrat, dass Änderungen am Programm des Maienzugs nicht leichtfertig vorgenommen würden. Vielmehr würden immer alle Vor- und Nachteile sorgfältig abgewogen.
Was ist nun aus diesen «zeitgemässen Weiterentwicklungen» geworden, die das Ergebnis einer sorgfältigen Abwägung waren? Letztes Jahr wurde das Bankett überrannt und es brach Chaos aus. Statt über die gemachten Fehler nachzudenken, beschwerte sich der Stadtrat in seiner Maienzugsrede über die Kritik. In diesem Jahr hat der Verkauf der Bankettkarten nicht funktioniert. Wer nicht zu den Glücklichen gehört, die auf der Gästeliste standen oder die Zeit hatten, am Montag stundenlang vor der Aarau Info anzustehen oder am Dienstag in der ersten Stunde, als man noch Karten kaufen konnte, zu bestellen, ging leer aus. Dazu gehörten übrigens etwa Lehrpersonen, die in dieser Zeit arbeiten mussten – und wahrscheinlich gerade mit ihren Schützlingen den Tanz für die Morgenfeier einstudierten. Sie bekamen zwar als Gäste ein Ticket für sich selber aber keine Tickets mehr für ihre Familie. Andere sind erstmals seit Jahrzehnten nicht mehr am Bankett dabei, weil sie keine Karten mehr erhalten haben. Noch vor wenigen Jahren war der Maienzug ein Fest der Aarauerinnen und Aarauer und aller jener, die mit Aarau verbunden waren. Dieses Jahr dürfen viele Einwohner ihren Kindern zwar weisse Kleider organisieren, Kränze winden und sie zum Umzug bringen. Zum Bankett können sie nicht, denn sie haben keine Karten mehr bekommen. Aber immerhin sind sie gehalten, das Bankett über ihre Steuern mitzufinanzieren.
Leider ist davon auszugehen, dass wir erst die Spitze des Eisbergs gesehen haben. Das Chaos dürfte weitergehen: Die Bänder für das Bankett sind eher simpel gemacht und können leicht gefälscht werden. Für ein paar Franken kann man sich solche Bändel inklusive Beschriftung im Internet bestellen. Wohin das führt, dürfte klar sein. Man darf aber auch gespannt sein, wie das neue Verpflegungskonzept funktioniert – oder eben nicht. Der Maienzug ist ein geselliges Fest. Dazu gehört auch der Wein. Bisher wurde der Wein von Kantischülerinnen recht unkompliziert ausgeschenkt. Das passte wohl nicht ins «woke» Konzept des Stadtrates. Jedenfalls musste auch diese altbewährte Praxis weichen und es kursieren bereits Gerüchte, dass der Ausschank deutlich erschwert werden soll. Man darf gespannt sein, wie diese Änderung vom Publikum aufgenommen wird.
Der Stadtrat hat es mit anderen Worten geschafft, den über Jahrzehnte gereiften Charakter dieses Festes durch seine «zeitgemässen Weiterentwicklungen», welche angeblich das Ergebnis sorgfältigen Abwägens waren, schwer zu beschädigen. Statt Vorfreude macht sich heuer vor allem Ärger breit. Vielen Einwohnern ist die Freude an diesem Fest bereits vergangen.
Die SVP erwartet, dass der Stadtrat über die Bücher geht. Wir haben Verständnis dafür, dass der Andrang zum Maienzug und insbesondere zum Festbankett gross ist. Wir erwarten aber, dass der Stadtrat die notwendigen Massnahmen trifft, damit der Maienzug ein Fest der Aarauerinnen und Aarauer und der mit Aarau verbundenen Menschen bleibt. Selbstverständlich soll der Maienzug ein offenes Fest sein, aber es müssen Prioritäten gesetzt werden. Über die AHV-Nummer wäre es problemlos möglich, den Aarauern ein Vorverkaufsrecht für Bankettkarten einzuräumen. Auch eine Preisanhebung für Auswärtige darf kein Tabu sein. Die SVP hofft darum, dass der Stadtrat unser Postulat ernst nimmt. Viel Hoffnung haben wir nicht – das Poustlat landete ja offenbar bereits auf dem Pendenzenhaufen. Wir sind aber auch realistisch: Statt die Probleme anzupacken, wird man seine Energie darauf verwenden, herauszufinden, warum das Postulat nicht zielführend oder nicht umsetzbar ist.
Vielleicht ist es einfach an der Zeit, dass wieder mehr Leute im Stadtrat sitzen, die ein Bewusstsein für das haben, was sich über Jahrzehnte bewährt hat.
Wir sind der Meinung: Aarau kann es besser!
Für die Fraktion der SVP
Simon Burger